Wege zum Bürgerschaftlichen Engagement: Unausgeschöpfte Potenziale und lästiger Eigensinn
Wege zum Bürgerschaftlichen Engagement in den Berliner Bezirken — Erfahrungen mit und von Freiwilligenagenturen, ‑börsen und Ehrenamtsbüros
war das Thema einer Fachtagung, zu der am 20.10.2012 Berlins Beauftragte für das Bürgerschaftliche Engagement, Staatssekretärin Hella Dunger-Löper, eingeladen hatte. Mehr als vierzig “Vertreterinnen und Vertreter aus der Bezirkspolitik, der Landespolitik sowie der Organisationen des Dritten Sektors” — so die Einladung — waren ins Rote Rathaus gekommen. Es fehlten für Bürgerschaftliches Engagement in Berlin wichtige Fachverwaltungen, viele Bezirke waren nicht vertreten, ebenso viele der in den Bezirken aktiven Verbände und Organisationen des Dritten Sektors.
Dabei war mit Holger Backhaus-Maul von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für den Einstieg wie auch die Moderation ein für das mit der Fachtagung gesetzte Thema wirksamer lokaler Engagementförderung wie auch für Forschungen in Berliner Engagementlandschaften1 einschlägig ausgewiesener Wissenschaftler gewonnen worden.
Wesentliche Grundlage der einleitenden Bemerkungen von Holger Backhaus-Maul zum Engagement der Bürger/innen: Herausforderungen für Organisationen waren die Ergebnisse einer im Frühjahr erschienenen Untersuchung, mit der erstmals eine differenzierte, bundesweite Studie zu den Wirkungen und zur Entwicklung von Freiwilligenagenturen in Deutschland vorgelegt werden konnte.2
Als Mittler zwischen Bürgerinnen und Bürgern, gemeinnützigen Organisationen, Unternehmen, Politik und Verwaltungen in allen Angelegenheiten bürgerschaftlichen Engagements geraten diese Agenturen, die unterschiedliche Namen haben und organisatorisch sehr verschieden aufgestellt sein können, immer dann den Blick3, wenn ein leitendes organisiertes Interesse gilt: Wie kann die jedem persönlichen Engagement eigene Spannung zwischen lästigem Eigensinn und unausgeschöpften Potenzialen von Menschen aufgelöst werden, die zu freiwilligem und ehrenamtlichen Engagement bereit sind oder dafür gewonnen werden können? Sprich also wie das Problem zu lösen ist, diese Menschen erfolgreich in Organisationen und durch Organisation als dem Nadelöhr des Engagements (Backhaus-Maul) zu fädeln.
Und damit lag die Frage auf dem Tisch, welche Rolle hierbei kommunale Engagementförderung spielen kann. Innovative und beispielgebende Antworten aus Berliner Bezirken sollten deshalb den für die Fachtagung später angesagten berlinweiten Erfahrungsaustausch beflügeln.
Den Auftakt machte Stefanie Beerbaum, Projektleiterin des STERNENFISCHER Freiwilligenzentrums Treptow-Köpenick in Trägerschaft der USE gGmbH, mit ihrer eindrücklichen Präsentation4 des Erfolgsmodells im Südosten Berlins. Für seine Arbeit war das Zentrum letztes Jahr durch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) e.V. mit dem Sonderpreis des Innovationspreises der Freiwilligenagenturen ausgezeichnet worden.5
Zwei unterschiedlich ausgerichtete bezirkliche Zugänge wurden im weiteren vorgestellt. Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, präsentierte das kommunale Ehrenamtsbüro◄ bei der erfolgreichen Bestimmung seines Orts in einem Bezirk mit einer starken, vielfältig engagierten Trägerlandschaft und eine erneut erfolgreiche Ehrenamtsbörse◄ im Schöneberger Rathaus. Dr. Christian Hanke, Bezirksbürgermeister von Mitte, berichtete über Formen der Anerkennung, Motivation und Qualitätssicherung von Ehrenamtlichen◄ in seinem Bezirk.
Der abschließende Erfahrungsaustausch an den vier Thementischen Engagementfördernde Strukturen in den Bezirken, Finanzierung der Förderstruktur & Budgetierung, Anerkennung und Motivation sowie Verzahnung der Landes- und Bezirksstrukturen machte die Wegstrecken und die Mühen der Ebenen deutlich, die auf die Engagierten allerorten in der Stadt noch warten, um der Zielmarke nahe zu kommen, die Staatssekretärin Hella Dunger-Löper zu Beginn gesetzt hatte: Dass Berlin zur Hauptstadt des Engagements werden möge. Holger Backhaus-Maul setzte mit der Bemerkung, lokale Engagementförderung, Engagementpolitik sei mehr als eine freundliche Veranstaltung am Samstagnachmittag, den Schlußpunkt. Und Hella Dunger-Löper kündigte den Termin für die nächste Fachtagung an: In genau sechs Monaten, am 20.04.2013.
NACHGETRAGEN:
- Vorliegt mittlerweile auch das Protokoll der Fachtagung◄ (pdf 174 KB).
- Die angekündigte weitere Fachtagung „Wege zum Bürgerschaftlichen Engagement in den Berliner Bezirken“ — Thema „Partizipation“ findet nicht am 20.04.sondern am 27.04.2013 statt. Mehr Informationen: Hier◄
Noch zwei Hinweise:
Aktuell erschienen ist der Abschlussbericht6 des Forschungsprojekts Ausbau, Umbau, Rückbau? – Bestandsaufnahme, Evaluation und Weiterentwicklung der Infrastruktur lokaler Engagementpolitik, das von 2008 bis 2010 vom Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Zentrum für Nonprofit-Management bearbeitet wurde. Es gehörte zu den rund vierzig Projekten, die 2007 im Vorlauf zur Nationalen Engagementstrategie im Rahmen der Initiative ZivilEngagement, die auf die Entwicklung einer ressortübergreifenden Engagementpolitik abzielte, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gestartet worden waren.
Gemeinsam haben Dr. Annette Zimmer und Holger Backhaus-Maul die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte als Arbeitshilfe für lokale Entscheidungsträger7 noch einmal redaktionell zusammengefasst und aufbereitet. Sie wurde im September von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) e.V. in Berlin veröffentlicht. Ergebnisse aus beiden Projekten waren bereits beim bagfa-Thementag Schnellbote vor Ort? Freiwilligenagenturen als Verantwortungs- und Vernetzungsträger in den Kommunen◄ Ende letzten Jahres präsentiert und diskutiert worden.
-jor. | Aktualisiert: 12.04.2013
- Vgl. z.B. Backhaus-Maul, Holger; Speck, Karsten, 2005: Bürgerschaftliches Engagement 2005. Eine empirische Untersuchung zum bürgerschaftlichen Engagement in den Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin. Halle/Potsdam; zusammengefasst in Dies., 2006: Engagement als Ressource. In: Blätter der Wohlfahrtspflege, (6), 203–208 | download: http://www.berlin.de◄ — pdf 1,5 MB.– Backhaus-Maul ist seit diesem Sommer auch mit einer Folgestudie für den Verband zum Thema Umfang, Vielfalt, Management und Entwicklungsstrategien ehrenamtlichen Engagements beauftragt; vgl. http://www.paritaet-berlin.de◄, 13.03.2012 ↩
- Speck, Karsten; Backhaus-Maul, Holger; Friedrich, Peter; Krohn, Maud, 2012: Freiwilligenagenturen in Deutschland. Potenziale und Herausforderungen einer vielversprechenden intermediären Organisation. Wiesbaden, Springer VS.- Inhaltsverzeichnis: DNB◄ ↩
- “Sie informieren Bürger, beraten Organisationen und sind Lobbyisten in Engagement-Angelegenheiten. Das sind Alleinstellungsmerkmale, die die Freiwilligenagenturen zu begehrten Adressaten für öffentliche und private Förderer machen müssten.” So Backhaus-Maul, zit. nach Universität Oldenburg, Pressedienst, 23.05.2012, 217/12 | http://www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2012/217.html◄ ↩
- Stefanie Beerbaum, 2012: Strategische Engagementförderung — made in Treptow-Köpenick.◄ — pdf 829 KB ↩
- Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, 2012: Gemeinsam lokal engagiert. Wie Freiwilligenagenturen als Netzwerker Herausforderungen anpacken. Dokumentation Innovationspreis 2011. Berlin | http://bagfa.de/fileadmin/Materialien/Publikaitonen/bagfa_Innopreis_11_WEB.pdf◄ — pdf 2,2 MB ↩
- Wolf, André Christian; Zimmer, Annette, 2012: Lokale Engagementförderung. Kritik und Perspektiven. Wiesbaden, Springer VS.- Inhaltsverzeichnis: DNB◄; siehe auch die Rezension von Armin König in: socialnet Rezensionen,◄ 01.10.2012 ↩
- Zimmer, Annette; Backhaus-Maul, Holger, 2012: Engagementförderung vor Ort – Was gilt es in den Blick zu nehmen? Eine Arbeitshilfe für lokale Entscheidungsträger. Münster, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Politikwissenschaft | http://bagfa.de/fileadmin/Materialien/Aktuelles/Broschuere_Engagement_Satz05Juli.pdf◄ — pdf 1 MB ↩
Stichworte: Berlin, Bezirke, Dunger-Löper, Engagementbeauftragte des Senats, Engagementpolitik